Mein vorheriger Blog in dieser Serie drehte sich um die Herzratenvariabilität (HRV) und wie sie dabei hilft, Stress und Erholung zu untersuchen. Diesmal liegt der Fokus darauf, was Stress und Erholung im Kontext von Gesundheit und Lifestyle bedeuten und wie dieses Verständnis einem besseren Lifestylemanagement insgesamt weiterhelfen kann.
Einfach gesagt ist Stress eine physische Reaktion, die uns beim Überleben hilft. Wenn wir physischem oder mentalem Stress gegenüberstehen, schaltet unser Körper in einen „Kampf oder Flucht“-Modus und der sympathische Teil des autonomen Nervensystems übernimmt, um uns für die Situation zu wappnen: verschiedene Hormone und Chemikalien werden freigesetzt, Herzfrequenz und Blutdruck erhöhen sich, die HRV wird niedriger und das Blut wird dorthin geleitet, wo es am meisten gebraucht wird (z.B. in die Muskeln). Eine physiologische Stressreaktion kann durch interne (z.B. Überbelastung, Ermüdung, Schmerz oder Fieber), externe (z.B. Alkohol, physische Belastung oder Hitze), oder psychologische/soziale Faktoren (z.B. Angstzustände, Druck oder Arbeitsstress) ausgelöst werden.
Stress gehört zum Leben – doch auf das Management kommt es an
Psychologisch wird Stress als eine Situation definiert, in der die Anforderungen größer sind als die Ressourcen der Person, welche die Situation meistern muss. Stress kann ebenfalls als die physische und mentale Adaption des Körpers auf tatsächliche oder wahrgenommene Veränderungen oder Herausforderungen charakterisiert werden (Stressresilienz). Ein angemessenes Stresslevel (oder auch Aktivierungslevel) auf Arbeit wird mit besserer Produktivität und Leistung in Verbindung gebracht, doch wenn dieses Level für zu lange Zeit zu hoch ist, nimmt die Leistung ab.
Ihre Wahrnehmung von Stress ist wichtig
Je nach Empfinden und Kontext kann Stress positiv – z.B. eine neue, aufregende Aufgabe – aber auch negativ sein, z.B. übermäßiger Leistungsdruck auf Arbeit oder zu viele Aufgaben. Obwohl die direkte physiologische Reaktion auf beide Stressarten ähnlich ist, unterscheiden sich die Folgen. So können wir nach positivem Stress normalerweise gut Abschalten und uns erholen, während negativer Stress häufig weniger schnell abgebaut werden und den Körper noch längere Zeit in einem Stresszustand halten kann, selbst wenn wir uns ausruhen und der Stressor selbst nicht mehr vorhanden ist. Illustriert wird dieses Phänomen in Abbildung 1 durch einen Firstbeat Lifestyle Assessment Bericht. Doch selbst wenn Sie auf einer Adrenalin-Welle voll positivem Stress kaum ein Auge schließen können, wird Sie dieser Stress über Kurz oder Lang entkräften, wenn er nicht durch Erholung ausgeglichen wird.
Die negativen Konsequenzen von chronischem Stress auf die Gesundheit sind vielfältig erforscht. Beispielsweise Angststörungen, Depression, Verdauungsprobleme, Herzkrankheiten, Diabetes 2, Schlafprobleme sowie Erinnerungs- und Konzentrationsstörungen werden mit langer Überbelastung und chronischem Stress assoziiert. Das rückt die Wichtigkeit von Stressmanagement für die Gesundheit noch mehr in den Fokus – und bringt uns zu Erholung.
Erholung lädt die Batterien des Körpers auf
Wir sind jeden Tag Herausforderungen ausgesetzt, welche eine Stressreaktion hervorrufen. Doch wenn die Herausforderung gemeistert ist, sollte unser physischer und psychologischer Status wieder zur Ausgangslage zurückkehren (Homöostase). Dieser physiologische Prozess heißt Regeneration, oder Erholung. Es bedeutet auch, dass der parasympathische Teil des autonomen Nervensystems dominant ist (dargestellt in Grün in Abbildung 1), was das Aktivierungslevel des Körpers herabsenkt (geringer Puls, höhere HRV) und somit wie eine Bremse für den Körper wirkt.
Unsere psychophysiologischen Ressourcen werden während der Regeneration wiederaufgebaut und eine ausreichende Erholung ist notwendig, um die Effekte von Stress auszugleichen. Natürlicherweise ist der Schlaf die wichtigste Zeit für Regeneration, doch auch während des Tages sollte es ab und an Momente der Erholung geben, zum Beispiel während der Arbeit oder in den Stunden vor dem Zubettgehen.
Faktoren zu identifizieren, welche die Regeneration verbessern oder mindern, ist nicht einfach, denn unsere Wahrnehmung von Stress und Regeneration entspricht nicht immer der Realität. Nur, weil wir schlafen, bedeutet das nicht, dass wir uns auch optimal erholen. Regeneration passiert nicht auf Knopfdruck. Wenn wir unseren Körper ständig überanstrengen, oder schlechte Lifestyleentscheidungen treffen, braucht es mehr, als nur die Augen zu schließen. Gute Erholung braucht kluge Entscheidungen und einen Einstellungswechsel, vor allem für Menschen, die es gewöhnt sind, ständig angespannt zu sein und über ihre Limits hinauszugehen.
Wir wissen, dass bestimmte Faktoren die Regeneration kompromittieren. Alkohol, Krankheit, Stress, zu große Belastung (Arbeit + andere Stressoren = Alltagsbelastung) und Sorgen, können den Regenrationsprozess schwächen oder sogar völlig blockieren, indem das Stresssystem weiter aktiv bleibt. Dem gegenüber stehen gute Schlafqualität, gute physische Fitness, mentale Gesundheit, ausgeglichene Essgewohnheiten und eine positive Einstellung, was einen normal funktionierenden Regenerationsprozess unterstütz und somit physische und mentale Ressourcen wiederaufbaut.
Hier sind ein paar Tipps, um eine gute Regeneration zu erreichen; mehr finden Sie auch in einigen unserer anderen Blogs.
- Ausreichender, qualitativ hochwertiger Schlaf, vor allem während der anstrengenden Zeiten.
- Die Stunden vor dem Zubettgehen sind wichtig! Lernen Sie, tägliche Aufgaben rechtzeitig abzuschließen und vor dem Schlafengehen herunterzufahren.
- Passende physische Aktivität (angepasst an Ihr Fitnesslevel und Lebenssituation) und gute Ernährung.
- Minimieren Sie Alkoholkonsum und vermeiden Sie zu starkes Training zu spät am Abend.
- Lernen Sie, an hektischen Tagen herunterzufahren, zum Beispiel durch Achtsamkeit oder Entspannung.
Das Firstbeat Lifestyle Assessment liefert wertvolle Einsichten für besseres Management der Stress- und Regenerationsbalance. Der Graph zu den Körperressourcen illustriert diese Balance über die 3-Tages-Messung hinweg und zeigt, dass Stress allein nicht das Problem ist, wenn er durch ausreichend Regeneration ausgeglichen wird.
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