13.042 verletzungs- und, auch nicht zu vergessen, krankheitsbedingte Fehltage bei den Spielern der 18 Erstligisten ist die Bilanz der 1. Saisonhälfte 2017/18 der deutschen Fußballbundesliga – für die zweite Hälfte wird mit einer noch höheren Zahl gerechnet. Bis zur Winterpause waren in der höchsten Spielklasse dabei zum Großteil Muskelverletzungen und Folgebeschwerden zu beklagen, wie der Journalist Fabian Siegel auf seiner Online-Plattform www.fussballverletzungen.com als simples Diagramm zusammengefasst hat. Laut Siegels Analysen nehmen dabei Muskelverletzungen allein knapp 30% ein und tragen außerdem zu den meisten Ausfalltagen bei. Das obwohl zur Vorbeugung muskulärer Verletzungen zahlreiche Strategien und Praktiken in Gebrauch sind.
Paradox? Nur bedingt. Muskuläre Verletzungen hängen eng mit Überbelastungen und Ermüdungserscheinungen zusammen. Im Extremfall kann ein Bundesliga-Club um die 60 bis 70 Spiele pro Saison absolvieren – Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League, Freundschaftsspiele. In diesem Jahr kommt noch die Weltmeisterschaft in Russland hinzu, das gibt noch einen extra Einsatz-Bonus für Nationalspieler.
Kein Wunder also, dass die Verletzungsstatistiken der meisten Bundesligaclubs mit den Umfängen der Belastung in den vergangenen Jahren nach oben gegangen sind. Aus gesundheitlicher, athletischer und nicht zuletzt ökonomischer Sicht ein Problem – bei über 13.000 Ausfalltagen der Bundesligaspieler und einem durchschnittlichen Spielergehalt, das wahrscheinlich weit über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, auch ein finanzieller Faktor bei vielen Clubs.
Bei der Prävention überbelastungsbedingter und muskulärer Verletzungen ist dabei nicht nur ein individuell adäquates Training von Bedeutung, sondern vor allem eins: Regeneration. Eine gezielte Belastung in Verbindung mit der richtigen Portion Entlastung schafft nicht nur die erwünschte Leistungssteigerung, sondern verringert auch signifikant das Risiko muskulärer Verletzungen: Dr. Tim Gabbett hatte diesen Fakt sowie die enge Verstrickung intensiver Trainingsbelastung und adäquater Regeneration mit über 200 Publikationen zu einem seiner Hauptthemenbereiche gemacht und im vergangenen Jahr bei einem Firstbeat Sports Webinar hervorgehoben (Zur Webinar-Zusammenfassung).
Gabbett ist Sportwissenschaftler und hat zwei Doktortitel in Physiologie sowie in angewandter Wissenschaft des professionellen Fußballs mit einer Spezialisierung auf physische Anforderungen, Verletzungsprävention und Leistungssteigerung. Mit Hinblick auf das Verhältnis der akuten und chronischen Belastung (acute:chronic workload ratio) trägt laut Gabbett auch eine höhere, kontrollierte Belastung zur Verletzungsprävention bei.
Von GPS bis HRV
Bei der Belastungssteuerung setzt man im modernen Profisport neben GPS auf das Herzfrequenzmonitoring. Wenn es um die Regeneration geht, hat sich vor allem die Herzratenvariabilität HRV als extrem hilfreich erwiesen: „Die HRV ist ein Parameter, mit dem man sich näher beschäftigen sollte, um ihn in die Beurteilung der Belastungs- und Regenerationsprozesse einzubeziehen”, erklärt Jens Geist, leitender Trainingswissenschaftler am Olympiastützpunkt Bayern und langjähriger Nutzer der HRV-Analysen von Firstbeat Sports. Er nutzt die HRV als Parameter vor allem während besonders hoher Belastungsphasen mit den Hochleistungssportlern im OSP.
„Im Mannschaftssport wird das Regenerationsmanagement, vor allem bezüglich des Schlafes, teilweise noch sehr vage gehandelt und wurde zuletzt von zahlreichen Sportwissenschaftler als eine vergessene Trainingsmethode beschrieben“, sagt Dr. Christoph Rottensteiner von Firstbeat. „Des Weitern sind Entlastungsmaßnahmen auf Teamebene noch nicht ausreichend etabliert“, fügt Rottensteiner hinzu. Schlaf, Ernährung und vor allem auch der Lifestyle sei etwas, das für jeden Sportler stark variiert und daher auch individuell gesteuert werden sollte.
Die HRV kann dabei einfach beispielsweise durch den 3-minütigen Schnellerholungstest von Firstbeat gemessen werden. Bei Hertha BSC gehört dieser Test zum festen Bestandteil des Trainingsalltags. „Die regelmäßig durchgeführten Messungen kommen so schließlich zu einem größeren Gesamtbild zusammen, welches es einfacher macht, die Tendenzen jedes Spielers und seine Spielbereitschaft für die nächste Bundesliga-Partie abzuschätzen“, erklärt Henrik Kuchno, Athletiktrainer des Bundesligisten.
Player Status Analysis
Diese Regenerationsdaten können schließlich in ihrer Gesamtheit analysiert werden und führen, wieder vor dem Hintergrund der weiter oben erwähnten acute:chronic work ratio, zu einem hochinteressanten Gesamtbild des physiologischen Belastungs- und Regenerationszustandes jedes Spielers. Bei uns ist dies die Player Status Analyse, welche Firstbeat 2018 neu vorgestellt hat. „Eine gute Balance zwischen akuter und chronischer Last ist extrem wichtig. Wenn der Spieler jedoch nicht gut auf das Training reagiert und seine Regeneration als zusätzliche Stütze diese Balance nicht stabilisiert, fällt dieses Prinzip in sich zusammen“, erklärte Tero Myllymäki, Leiter der Physiologie-Abteilung bei Firstbeat, im Webinar zur Player Status Analysis:
Die direkten Konsequenzen aus einem Ungleichgewicht reichen von der Gefahr des Übertrainings bis hin zum „Untertraining“. Geht die Tendenz zu sehr in eine der beiden Richtungen, steigt auch die Gefahr einer Verletzung.
Dass nicht nur die Zeit während des Trainings oder eines Spiels im Verletzungs-Roulette eine Rolle spielen, zeigt eine weitere von Fussballverletzungen.com aufgemachte Statistik. Tatsächlich geschehen nur 44% der Verletzungen während dieser Zeiten, 56% geschehen außerhalb des Trainings- oder Spielkontextes. Wie der Lifestyle eines Spielers zu seiner Leistung und Resilienz beiträgt, ist dabei ein Thema für einen eigenen Blog-Beitrag, doch liegen bei einem Profispieler offensichtlich die private und die Arbeitswelt sehr nahe beieinander.
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