Trainer im Profisport haben mehr Technologien zur Verfügung als jemals zuvor. Im Jahr 2018 ist es möglich quasi jeden Aspekt zu Fitness, Training und Leistung eines Athleten nachzuverfolgen. Das Ziel dabei ist, den Einzelspieler und schlussendlich das gesamte Team in die bestmögliche Form zu bringen. Richtig angewendet kann der Vorteil enorm sein.
Wie genau das auf dem Profi-Level effektiv geschehen kann war beim vergangenen HRV Summit von Firstbeat das Thema von Tom Allen, seines Zeichens leitender Sportwissenschaftler bei Arsenal.
Strom aus Technologie und Daten
Im vollbesetzten Saal des Lords Cricket Ground in London skizzierte der Key Note Speaker kurz die Evolution des Fußballs: von der „Wer braucht Technologie, wir arbeiten einfach hart“-Philosophie hin zum modernen Fußball, wo Arsenal verschiedene Plattformen und Geräte nutzt, um praktisch alle möglichen Variablen zu messen und somit Spitzenleistungen zu erzielen. „Nennen Sie irgendeine Trainingsvariable – wahrscheinlich messen wir sie in irgendeiner Form“, sagte Allen.
Allen hat gerade seine erste Saison bei Arsenal absolviert. Seine Rolle in dem Premier League Verein beinhaltet das Aufzeichnen und praktische Umsetzen von Daten mit der ersten Mannschaft. Er bot einen unglaublichen Einblick darin, wie das in einem Weltklasseverein vonstattengeht.
Mit der Nutzung von Daten zur Herzratenvariabilität (HRV) von Firstbeat Sports, zusammen mit GPS, Gesundheitsfragebögen und mehr, deckt Arsenal über die Saison hinweg im Grunde alle möglichen Bereiche ab. Diese Tiefenanalyse bedeutet natürlich auch, dass Allen und seinem Team tausende Datenpunkte täglich über jedes Mannschaftsmitglied zur Verfügung stehen.
„Wir müssen einen Weg finden, diese Informationen zusammenzufügen, denn es gibt jedes Jahr neue Technologien“, erklärt Allen. „Es gibt Signale inmitten des weißen Datenrauschens, welche wir finden müssen, denn wir wollen uns nicht Stück für Stück durch diese Masse an Daten kämpfen. Wir müssen wissen, was unsere Ziele sind und wie wir entscheiden, welche Informationen für den Trainer wichtig sind.“
Eine Geschichte erzählen
Während der Saison 2017/18, unter der Führung von Arsene Wenger – ein Mann, der in 22 Jahren bei dem Londoner Club den Zuwachs von Technologie im Fußball direkt miterlebt hat – wurden diese Ziele klar: „Die Verletzungsgefahr verringern und die physische Leistung verbessern.“
Wie macht es Arsenal also, dass der Trainer nur die relevanten Informationen aus der Masse an Daten bekommt, die während des Trainings, der Spiele und im Kraftraum gesammelt werden.
„Wir haben eine Datenbank erstellt, die eine Geschichte über jeden Spieler erzählt und jeder Trainer und Manager, mit dem ich bisher gearbeitet habe, wollte diese Geschichte sehen“, sagt Allen.
Funktioniert es?
„In der vergangenen Saison hat Arsenal die Zahl der Verletzungen im Team im Vergleich zur letzten Saison um ein Drittel verringert.“
Die besagte Geschichte dreht sich dabei um Stress. Genauer gesagt, um fünf Stresskategorien, die jeweils auf einer Skala von 1-5 auf den gesammelten Daten jedes einzelnen Spielers basieren. Diese sind: Skelett-Stress (Stress des Skeletts durch Geschwindigkeit/Distanz); metabolisch (Be-/Entschleunigung); kardiovaskulär (Herzfrequenzanalysen durch Firstbeat-Variablen); neuromuskulär (wie die Muskeln reagieren); und physiologisch (die Athletengesundheit).
Der Prozess
Der Score (1-5) jeder einzelnen Skala setzt sich aus jeweils ungefähr 75 Variablen zusammen, die in einen Algorithmus eingehen. Diese Kategorie-Scores werden dann über einen weiteren Algorithmus zu einem einzigen täglichen Stress-Score zusammengefasst. Das Ergebnis? „Jeder Einzelne hat nun einen Score über seinen Stress des Tages, der dann in eine langfristige Datenbank eingespeist wird.“
Dieser Prozess erlaubt es Allen und seinen Kollegen, die Verletzungsgefahr ebenso wie das Potenzial zu Spitzenleistungen jedes Spielers an jedem Punkt der Saison festzustellen. Um das so klar wie möglich für den Trainer (und auch den Spielern) zu machen, erstellen Allen und sein Team eine Grafik, welche die Belastung und Gesundheit jedes Spielers über einen längeren Zeitraum darstellt.
„(Für die Belastung) nehmen wir tausende verschiedene Datenpunkte aus unterschiedlichen Informationsquellen, wie Firstbeat oder die Belastung aus dem Kraftraum und mit einer gepunkteten Linie heben wir hervor, wenn es statistisch signifikant mehr Stress gibt als zuvor“, sagt Allen.
Vereinzelte Scores über der gepunkteten Linie sind kein Grund zur Sorge. Wenn ein Spieler jedoch für längere Zeit über dieser Linie bleibt, kann das eine Überbelastung bedeuten und zu Änderungen in den Trainingsroutinen führen.
Die Gesundheit wird auf demselben Graphen dargestellt. Dieser setzt sich aus 35 Messpunkten zusammen, hauptsächlich aus Gesundheitsfragebögen und physischen Tests, welche zeigen, wie der Spieler auf verschiedene Belastungen reagiert.
Beweise liefern
Allen zeigte ein Beispiel eines solchen Graphen und erklärte, was es ihnen über die Situation des Spielers während des Februars 2018 hinweg sagte.
Phase 1 – Der Spieler klagt über ein Knöchelproblem und die Trainingsbelastung wird verringert. Der Gesundheitsscore sinkt, als er von mehr Schmerzen berichtet.
Phase 2 – Mitte Februar gibt es eine allmähliche Erhöhung der Belastung und Anstieg der Gesundheit, als der Spieler zurück ins Training und den Spielbetrieb kommt. Doch durch die hohe Spielfrequenz zu dieser Zeit, kommt der Spieler in eine Überbelastungssituation.
Phase 3 – Die Überbelastung sorgt für einen Rückgang der Gesundheit. Mit mehr Belastung und Stress gibt es eine geringere physische Bereitschaft, vermehrte Schmerzen und eine sinkende Fähigkeit, unterschiedliche Bewegungen durchzuführen.
Mit einer Grafik für jeden Spieler hat Allen „einen Überblick auf einer einzigen Seite, die wir der Leistungs-, Management- und medizinischen Abteilung weiterleiten. Das gibt uns Daten, die wir dann in der Praxis aktiv nutzen können.“
Das PMI-System
Doch noch eine weitere Taktik wird von Arsenal genutzt, um die Daten für die Praxis auf dem Feld nutzbar zu machen: das PMI-System, welches jeden Spieler aufgrund seiner aktuellen Daten in eine von drei Gruppen einordnet.
P für „Protect (Schützen) – Spieler mit erhöhtem Verletzungsrisiko oder akuter Überbelastung. Diese Spieler trainieren nicht sehr hart, aufgrund der Kombination von Überbelastung und schlechter Gesundheitswerte.
M für „Maintain“ (Beibehalten) – Der Spieler war zuvor in Überbelastung. Die Regenerationsphase könnte noch verlängert werden, bevor wieder härter trainiert werden kann.
I für „Increase“ (Steigern) – Keine Überbelastung in den vergangenen Wochen. Diese Spieler sind frisch und können hart trainieren.
Nehmen wir Spieler der Gruppe „I“ als Beispiel: Allen schaut sich die hintergründigen Daten des jeweiligen Spielers an. Nach Überprüfung der 5 Stresskategorien kann ein Trainingsplan erstellt werden, der die verschiedenen „Problemzonen“ des Spielers in den Fokus nimmt. So werden zum Beispiel schnelle Läufe mit reduzierten Regenerationszeiten für einen zentralen Abwehrspieler durchgeführt, der geringe Stress-Scores im Skelett- und kardiovaskulären Bereich hat.
Die Signale im weißen Datenrauschen
„Wir haben eine Menge an Informationen und einen wirklich einfachen Weg, einen Überblick über unsere Spieler und deren aktuellen Zustand zu bekommen“, schließt Allen. „Doch wir müssen aufpassen, dass wir unser Auge nicht vom Ball nehmen.“
Bei der Geschwindigkeit, mit der Technologie in den Profisport Einzug hält, ist es von immenser Bedeutung zu wissen, welche Daten wichtig sind und weshalb. Das kann durch eine gute Ausbildung und, wie wir gesehen haben, ein effektives System geschafft werden, welches die für die Teamziele relevanten Daten auf einen Punkt bringt.
„Du kannst auf dem Feld alle Informationen der Welt haben, aber ohne den Kontext des einzelnen Spielers und dein eigenes Wissen zu den Daten, werden sie dir nichts bringen“, erklärt Allen. „Deshalb ist es wichtig, dass wir die richtigen Signale im weißen Datenrauschen finden und es sind Menschen wie bei Firstbeat, die uns dabei helfen.“
Die komplette Präsentation von Tom Allen finden Sie hier:
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